"Der Wal und das Ende der Welt" - John Ironmonger

Na, das ist mal ein Buch.
Mein Mann hatte es im Urlaub im
Regal der Mietwohnung gefunden und gelesen. Und war
begeistert! Ich habe es dort angefangen und kam nicht "rein".
Da wir das Buch nicht einfach mitnehmen wollten, habe ich es
mir als Hörbuch bestellt. Und siehe da, es klappte ...
Also nicht selbstgelesen, aber selbstgehört :)
Gelesen wird es von Johann von Bülow, der es wirklich sehr eindringlich und ruhig liest. Eine schöne Stimme liest gute Literatur!
Nun aber zum Buch:
Ein kleines Dorf, St. Piran, irgendwo in Cornwall (England) am Meer. Einwohner gibt es genau 307.
Eines Tages wird am Strand ein nackter Mann gefunden. Er wird von den Dorfbewohnern gerettet, gewärmt und aufgenommen. Als er wieder auf den Beinen ist, geht er zum Strand und findet einen Finnwal, der am Strand gelandet ist. Er schafft es, innerhalb kürzester Zeit, die Dorfbewohner so zu motivieren, dass sie alle ihm helfe, den Wal wieder ins Wasser zu bringen. Was unmöglich schien, schaffen sie zusammen.
Joe ist Analyst in einer Investment-Bank in London. Er hat, mit anderen zusammen, ein Programm entwickelt, das, aus zusammengetragenen Informationen, Entwicklungen, die sich auch auf die Menschheit auswirken, ausrechnet. Eines Tages macht Joe einen Fehler. Und verschwindet. Und taucht in St. Piran, bewusstlos, am Strand wieder auf.Angespült durch die Wellen.
Zuerst denkt er, dass "die Bank" hinter im her ist. Schnell aber merkt er, dass die Berechnungen, die sie angestellt haben, schneller im Leben der Menschen angekommen sind, als sie alle vermutet haben. In China bricht die Grippe aus und innerhalb weniger Tage wird das gesamte Leben auf der Welt zusammenbrechen. Kein Transporte mehr, kein Lebensmittel mehr, .... Joe Programm "Cassie" hatte das alles berechnet. Und Joe steckt seine ganzen Ersparnisse in einen riesigen Hamsterkauf im nächsten großen Markt. Er schafft es, die Bewohner von St. Piran dazu zu bringen, ihm zu vertrauen. Sie verstauen alles im Kirchturm. Sie sperren die Straße ab und er gibt Anweisungen, mit niemandem ausserhalb der Dorfes in Kontakt zu gehen. Sein Plan scheint aufzugehen. Bis ...
Ja, bis seine ehemalige Kollegin aus der Bank bei ihm erscheint. Und sie hat die Grippe....
Ach, das Buch ist schön.
Ein bisschen Endzeitstimmung, ein bisschen "Bangemachen", ein bisschen Liebesgeschichte.
Es sind 307 Einwohner in St. Piran - genug, dass sich eigentlich jeder Leser wiederfinden kann. Oder jemanden kennt, der "genau SO" ist, wie einer der vielen Bewohner. Einen Arzt, der eigentlich doch ganz nett ist. Einen Pastor, derer unsympathisch ist, seine sehr junge Frau, die Krankenschwester, die so eine wunderbare Stimme hat, der Strandgutsammler, ... jeder sein eigenes Schicksal. Sein eigenes Leben. Und doch machen sie zusammen dann doch eine gute Dorfgemeinschaft aus. Weil sie es einfach müssen - um zu überleben.
Was das Buch noch hat? Ganz viel Menschlichkeit - Joe Haaks. Der selbst noch ein ganz enges Band zu seiner verstorbenen Mutter hat, welches immer wieder in seinem Kopf ist.
Und ein Buch zum Nachdenken. Ob das so kommen könnte? Sind das die Mechanismen, die uns innerhalb kürzester Zeit wirklich "ausrotten" können? Was passiert in unserer realen Welt, wenn dieses Szenario eintreten würde? Wenn wir keinen Strom, kein Wasser, kein Öl mehr hätten? Wie lange bräuchte die Weltbevölkerung bevor sie sich gegenseitig an die Gurgel ginge. Oder würde das gar nicht passieren? Wie weit sind wir schon mit unserem Egoismus gekommen? DAS erfahren wir gerade durch die Fridays for Future Bewegung der Jugend der Welt. Das sehen wir gerade im brennenden Australien. Das können wir zu jeder Stunde in den sozialen Netzwerken lesen und bestaunen.
Die Menschen, die SICH dort präsentieren. Ihre Gesichter? Ihre Körper! Wenige lassen den Blick in die (verletzlichen) Seelen zu.
Der Mensch reduziert sich selbst auf seine Schokoladenseite - ohne zu bedenken, dass allein Sonne diese schon zum Schmelzen bringen kann.
Aber wenn wir alle das, was unser bequemes Leben so ausmacht, nicht mehr haben, gewinnt dann die Menschlichkeit? Oder bringen wir uns dann wirklich gegenseitig um?
Und was können wir machen, um derartiges abzuwenden?
Im Einzel-Tanz der Egoisten unserer Zeit - würde es einen Sirtaki geben können?
Ein Buch, das leise nachklingt, sich in die Seele bohrt.
Wem ich das Buch schenken würde?
Jedem, der gute Literatur zu schätzen weiss und sich gern mal Gedanken macht.
Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
Verlag: S. FISCHER; Auflage: 5. (27. März 2019)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3103974272
ISBN-13: 978-3103974270
Originaltitel: Not Forgetting The Whale