"Neuleben" - Katharina Fuchs

"Neuleben" ist der Folgeroman von "Zwei Handvoll Leben" Schriftstellerin Katharina Fuchs.
Schon den ersten Roman von Katharina Fuchs habe ich verschlungen und empfehle dringend, ihn vorher zu lesen!
Nun war ich also gespannt auf den Nachfolger.
In diesem Teil der Familingeschichte
der Autorin geht es um die beiden Frauen Therese Trotha und Gisela Liedke, die in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ihre "Erwachsenenleben" beginnen und aufbauen. Kein einfaches Unterfangen, waren Frauen damals noch als "Anhängsel" ihren Mannes zu sehen. Und rechtlich auch so zu begreifen - für den Führerschein beispielsweise, musste der Ehemann seine Zustimmung geben. Gisela Liedke arbeitete sich als Schneiderin zu einer "gemachten" Modemacherin hoch. Therese Trotha studierte Jura und wurde zu einer der ersten Vorsitzenden Richterinnen in Deutschland.
Schon das Beschreiben des Jurastudiums in Berlin - die stillen Kämpfe, die Therese Trotha gegen ihren Professor kämpfen musste, der immer und immer wieder versuchte, sie quasi zum Aufgeben zu zwingen und - sie war ihm immer einen Schritt voraus - dem sie die Stirn bieten konnte. Der "Preis" für Ihre beispiellose Karriere in der Zeit war der Verzicht auf eine eigene Familie.
Wir lesen und fühlen mit den Protagonistinnen im - geteilten - Berlin. Wir hoffen mit ihnen und ich war manchmal wirklich wütend, dass Männer ihnen so viele Steine in den Weg legten. Und spürte Genugtuung, wenn sie damit aber scheiterten, denn der Willen beider Frauen ist unglaublich stark und eisern und so schafften sie das, was ihnen die Männerwelt, aber auch zum Teil ihre Familie/Umwelt, nicht zugetraut hatte. Erfolg! Gisela muss während der Zeit in Berlin auch noch immer wieder um ihren Mann bangen, der "verbotene" Dinge von West-Berlin nach Ost-Berlin bzw. aus dem Rest der "sowjetischen Besatzungszone" schmuggelt. Bis er, auf dem Rückweg von Sachsen nach Berlin, festegenommen wird. Diesen Teil fand ich selbst körperlich fast unerträglich - denn ich erinnere mich an Zeiten, in denen wir (meine Familie und ich) immer Angst hatten, durch die damalige DDR zu fahren, um unsere Verwandtschaft im Vogtland zu besuchen. Das Zittern an der Grenze ("Ihr seid jetzt ganz lieb und leise"), das Filzen des Autos, die unfassbare Schikane und den Hass der "Grenzer" auf uns. Das Melden im Rathaus. Oder auch nur stundenlanges Warten auf Rückrufe der Verwandschaft! Aber auch Verräter, Bespitzler - wer kann wem trauen? Der eigenen Verwandschaft - nicht?! Das alles beschreibt Katharina Fuchs so intensiv, dass man wirklich mitleidet.
Was mich besonders gefesselt hat,
ist der Teil in Berlin. Kurz vor dem Mauerbau. Ich hatte nicht erwartet, dass der Unterschied damals schon so enorm gewesen ist. Und eigentlich der Mauerbau eine logische Schlussfolgerung gewesen ist. Erst den gegenseitigen Hass schüren, Misstrauen sähen - und dann "de erlösende" Mauer ... Alles in Allem ein Buch, was ich gerne verschenken werde. Besonders an Menschen, die sich nochmal mit unserer Geschichte insofern beschäftigen möchten, dass es eben nicht fiktiv ist. Und an (junge) Frauen, die schauen sollten, dass alles, was wir haben vor gar nicht langer Zeit eben nicht obligat gewesen ist! Und das es - gerade jetzt - wirklich zu schützen und verteildigen (und auszubauen) gilt. Von mir aus hätte das Buch übrigens noch vieeeeeel länger sein können! Wie oft empfehle ich, sich Zeit zu nehmen, um viel am Stück lesen und damit gut eintauchen zu können.
Wem ich es empfehlen würde? (Jungen) Frauen, Menschen, die Lust auf Biographien haben, und/oder Interesse an der Zeit nach dem Krieg
Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
Verlag: Droemer HC; Auflage: 3. (1. April 2020)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3426282119
ISBN-13: 978-3426282113